

der Augenblick
der reife
Die Sonne brennt heiß
auf den goldenen Sand von Delhi. Die schwarzen Palmen lassen ihre
verbrannten Blätter hängen. Man hört sie fast, wie sie leise um Wasser
flehen. Versprechen glaubt man zu hören, Macht und Reichtum für jeden, der
ihnen einen Tropfen des kühlen Naß zum Tranke reicht und ihre Not lindert.
Doch es ist niemand da, der ihre Bitte hört.
Gifftiggrüne Bracke windet sich einer Schlange gleich durch den heiligen
Fluß. Einsam sitzt ein alter Fakir am Ufer und grübelt über den Sinn des
neuen Lebens. Er hat sein Volk verlassen, um die Antwort zu finden, die er
schon lange ahnt, aber nicht auszusprechen wagt.
Aus mächtigen Steinquadern erbaut steht ein riesiges Tor über dem Fluß. Ein
strahlender Rubin schickt aus seiner Mitte rote Strahlen aus und verbrennt
alle die nutzlosen Boote, die noch immer dem Lauf der Strömung folgen.
Nichts darf die andere Seite erblicken, was nicht aus der Neuen Welt stammt.
Neli, die Tochter des Aktivators, kann die Hilferufe der Altgeschöpfe nicht
hören. Sie sieht nur verzweifelt das Leid, welches ihre Ahnen hinterlassen
haben. Hilflos und verzweifelt treibt sie auf einem der holzbraunen Boote
dem Tor zu. Ihr wird nichts geschehen, wenn die tödlichen Strahlen sie
erfassen. Sie wird durch das Tor fahren und anschließend verschließen.
Danach wird sie ihre Jungfräulichkeit verschenken, um ihren Platz im Rat
einzunehmen. Doch dies ist nichts weiter als eine Formalität. Die Erkenntnis
dringt in ihr Bewußtsein. Im Angesicht all der Not und ihrer Unfähigkeit zu
helfen ist sie schlagartig erwachsen geworden.
© by J. Heinrich Heikamp